DGK

Deutsche Gesellschaft für Kristallographie  ( DGK )

Arbeitskreis 16 (AK16): Aperiodische Kristalle


Aperiodische Kristalle

Aperiodische Kristalle sind Kristalle, die eine, im Prinzip, perfekte drei-dimensionale langreichweitige Ordnung in der räumlichen Anordnung ihrer atomaren Bausteine besitzen. Sie unterscheiden sich von den drei-dimensional periodischen Kristallen (den "normalen" Kristallen im klassischen Sinn) dadurch, dass ihre Strukturen eben keine drei-dimensionale Translationssymmetrie (d.h. Periodizität) aufweisen.

Man unterscheidet drei Arten von aperiodischen Kristallen. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass es sich dabei um Extremfälle handelt, die Grenzen zwischen ihnen sind nicht exakt definiert, sondern hängen vom Betrachter und dem angewandten Strukturmodell ab.

Die Struktur eines inkommensurabel modulierten Kristalls kann mit Hilfe einer sogenannten Basis-Struktur beschrieben werden. Diese Basis-Struktur besitzt eine drei-dimensionale Raumgruppensymmetrie, ihr ist aber eine periodische Deformation (d.h. Modulation) überlagert (im Beispiel unten eine geordnete Drehung der Hanteln um ihren jeweiligen Schwerpunkt). Da die Periodizität der Deformation eine andere ist, als die der Basis-Struktur, ist das Ergebnis eine modulierte (aperiodische) Struktur.

     Periodische Struktur    Modulierte Struktur
     Periodische Struktur: Die Struktur besteht aus dem Gitter und einem hantel-förmigen Motiv. Es ist deutlich zu sehen, dass die Struktur sowohl entlang der a-Achse, als auch entlang der c-Achse Translationssymmetrie (Periodizität) besitzt.    Modulierte Struktur: Das Motiv wurde um seinen jeweiligen Schwerpunkt gedreht, Translationssymmetrie existiert nur noch entlang der c-Achse. Allerdings ist die Drehung nicht wilkürlich, sondern kontrolliert, d.h. entlang der a-Achse besitzt die Struktur immer noch langreichweitige Ordnung.

Die atomaren Strukturparameter, d.h. fraktionellen Koordinaten, Besetzungszahl und/oder ADP der einzelnen Atome, werden als Summe der atomaren Parameter der Basis-Struktur plus ihre Abweichung davon angegeben (modulierte Struktur = Basis-Struktur + Modulation).

Ein Kompositkristall kann als kohärente Verwachsung zweier oder mehrerer modulierter Kristallstrukturen beschrieben werden. Seine Struktur besteht also aus zwei oder mehreren Unterstrukturen, deren Basis-Strukturen gegenseitig inkommensurabel sind. Jede einzelne der Unterstrukturen besitzt ihre eigene Raumgruppensymmetrie. Die Raumgruppen der Unterstrukturen können auf eindeutige Weise aus der Superraumgruppe der Gesamtstruktur abgeleitet werden.

Die einzelnen Gitter sind aber nicht Untergitter eines gemeinsamen (drei-dimensionalen) Übergitters und es ist auch nicht möglich, ein Gitter durch ein anderes Gitter mit rationalen Zahlen zu beschreiben. Die Unterstrukturen besitzern kein gemeinsames Basis-Gitter. Als direkte Folge hat dadurch jedes Untersystem seinen eigenen Satz an Hauptreflexen. Auch die Basis-Strukturen selbst sind aufgrund der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Untersystemen moduliert. Trotzdem ist die Verwachsung kohärent, ein Kompositkristall muss als eine einzige thermodynamische Phase angesehen werden.

Die Punktsymmetrie eines Quasikristalls kann normalerweise nur mit einer nicht-kristallographischen Punktgruppe (Kristallklasse) beschrieben werden, was einem zwingenden Verlust der drei-dimensionalen Translationssymmetrie entspricht. Ein Quasikristall läßt sich also durch das Fehlen eines Bravais-Gitters und/oder durch das Vorhandensein von "verbotener" kristallographischer Symmetrie (z.B. einer 5-, 10- oder 12-zähligen Drehachse) charakterisieren.

Im Gegensatz zu den modulierten und Kompositkristallen und auf Grund des Fehlens einer periodischen Basis-Struktur besitzen Quasikristalle kein klar ersichtliches Gitter mit Hauptreflexen, eine einfache Unterscheidung zwischen Haupt- und Satellitenreflexen ist hier nicht möglich.

Strukturuntersuchungen an aperiodischen Kristallen und auch die quantitative Auswertung der Bindungslängen, Koordinationspolyeder oder physikalischen Eigenschaften erfordern Methoden, die sich von denen für periodische Kristalle unterscheiden. Als Beispiel sei angeführt, dass die Symmetrie eines inkommensurabel modulierten Kristalls oder eines Kompositkristalls mit Hilfe der sogenannten (3+d)-dimensionalen Superraumgruppen beschrieben werden kann, welche auf den drei-dimensionalen kristallographischen Raumgruppen basieren, aber eine (oder mehrere) zusätzliche Dimensionen einführen, um die Modulation der zu untersuchenden Struktur zu erfassen.

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März 2007